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Auf dieser Seite veröffentliche ich in unregelmäßigen Abständen meine Gedanken zur Welt und zu meiner Arbeit. Kommentare gerne an meine E-Mail-Adresse.

Bislang sind diese Texte erschienen:

Integrale Politik: Aufruf für eine menschenfreundlichere Politik
Warum wir uns nicht verstehen: Das Modell Spiral Dynamics
Gut gemeint ist nicht gut gemacht: Warum linke Politik und linker Journalismus ihre Ziele verfehlen

Integrale Politik
Aufruf für eine menschenfreundlichere Politik

Diane Hedderich, 30.01.2024

Meckern ist leicht, doch wie besser machen? Im Folgenden beschreibe ich, wie ich mir Politik in unserem Land vorstelle.

1. Die grundsätzliche Haltung
Der politische Grundsatz, den ich für zielführend und humanistisch halte, ist dieser: Die Bedürfnisse aller Menschen sind wichtig und müssen politisch repräsentiert werden. Damit meine ich die Interessen und Bedürfnisse konservativer, liberaler und progressiver Menschen. Die Bedürfnisse von Alleinerziehenden, Familien, Senior:innen. Von Arbeitern, Angestellten und Selbstständigen. Usw. usf. – das ist eine lange Liste, will man alle Ausprägungen von Lebensweisen berücksichtigen.

Es gibt keine Bedürfnisse, die wichtiger oder weniger wichtig sind. Denn alle Menschen sind wertvoll, oder nicht? Ausschließen würde ich lediglich sehr extreme und pathologische Strukturen, was bekanntlich lediglich auf wenige Prozent der Bevölkerung zutrifft. Alle anderen Anliegen sind legitim.

Die Funktionsfähigkeit des Staates, z. B. dass unser Straßen- und Schienensystem gepflegt wird, wir Behörden haben, Gesundheits- und Bildungssystem, Arbeitgeber und Veränderungen in unserer Form zu wirtschaften (Stichwort Klimaschutz), wird über die Bedürfnisse von uns Bürger:innen abgedeckt, denn wir alle wünschen uns das – je nach Lebenswelt mehr oder weniger stark.

2. Wertschätzung von Unterschiedlichkeit und Synergien anstatt Kampf um Deutungshoheit
Voraussetzung für eine „integrale Politik“, also eine Politik, die alle Bevölkerungsinteressen berücksichtigt, ist ferner die Wertschätzung von Unterschiedlichkeit anstatt der Kampf um Deutungshoheit. Unsere aktuelle politische Landschaft ist geprägt von einem Gegeneinander, weil sich jede Partei im Wettbewerb mit den anderen Parteien befindet. Es geht darum, Profil zu zeigen und sich von den Konkurrenten abzugrenzen – darum ist die Rhetorik kämpferisch. In der Ampel-Regierung sehen wir, wie schwer es ist, unter diesen Bedingungen Entscheidungen zu fällen. Hinzu kommen natürlich unterschiedliche Vorstellungen davon, wie Deutschland am besten zu regieren sei.

In der integralen Politik ist es das Ziel, die Expertise aus allen Parteien zusammenzutragen, um die besten Lösungen für unser Land und seine Zukunft zu finden. So haben die konservativen Parteien vielleicht einen guten Draht zur Landbevölkerung und ihrer spezifischen Situation. Sie können uns daran erinnern, dass wir trotz unserer Vergangenheit auch schöne Traditionen haben, die vielen Menschen etwas bedeuten. Progressivere Parteien bringen neue Ideen ein, damit wir uns auch fortentwickeln. Sie weisen uns auf die Bedeutung von Minderheitenschutz hin und den Wert der Natur, unserer Lebensgrundlage. Und liberale Parteien übernehmen die wichtige Rolle, Werte wie Freiheit und wirtschaftlichen Erfolg immer wieder ins Bewusstsein zu rücken. In dieser Vielfalt und ihrer Würdigung liegt die große Chance integraler Politik.

3. Die Umsetzung
Meiner Einschätzung nach braucht die Form der Politik, die ich in diesem Artikel beschreibe, Menschen und Methoden, die wir in unserem heutigen politischen Handeln nicht kennen. Dabei denke ich an Mediation oder andere Prozesse der Entscheidungsfindung, um die oben beschriebenen unterschiedlichen Perspektiven und Expertisen alle zu integrieren. Denn ach so: In einem integralen politischen System würden alle Parteien, welche die Mindest-Prozent-Hürde meistern, in der Regierung sitzen und gemeinsam Entscheidungen treffen. Sie würden ihre spezifischen Sichtweisen und Expertisen einbringen, dafür werben und sich mit ihren Mitregierenden auf Entscheidungen einigen, die alle Perspektiven berücksichtigen. Und damit auch alle Wähler:innen-Gruppen.

Klingt das auch ein bisschen kompliziert? Ja, ich finde schon. Aber irgendwie auch machbar. Und schön. Da diese Form der Politik alle Menschen und menschlichen Bedürfnisse in ihrer Unterschiedlichkeit würdigt und schätzt.

Gedanken und Rückmeldungen gerne an meine E-Mail-Adresse mail(at)dianehedderich(punkt)de. Danke!

      Warum wir uns nicht verstehen
      Das Modell Spiral Dynamics

      Diane Hedderich, 19.12.2023

      Ich habe ja bekanntlich Sozialwissenschaften studiert, u. a. die Fächer Soziologie und Wirtschafts- und Sozialpsychologie, weil ich mich schon immer für Menschen und das menschliche Zusammenleben interessiert habe. Tatsächlich habe ich in meinem Studium auch reichlich interessante Theorien und Modelle kennengelernt, die mir bis heute helfen, die Wirklichkeit zu interpretieren. So zum Beispiel die Reaktanztheorie, über die ich kürzlich geschrieben habe.

      Richtig begeistert hat mich dann aber ein Modell, dem ich erst lange nach meinem Studium begegnet bin – konkret im Jahr 2012, als ich anlässlich einer riesigen beruflichen Krise eine Psychotherapie gemacht habe. Ich bin noch heute glücklich und dankbar, damals genau an diesen Psychotherapeuten geraten zu sein. Denn er konnte meine beruflichen Probleme mit genau einem theoretischen System erklären: Spiral Dynamics. Es war der Hammer – als würden die Autor:innen mich kennen und hätten über mich geschrieben. Das Kennenlernen dieses Modells gehörte zu den richtungsweisenden Ereignissen in meinem Leben, sodass ich mich in der Folge viel damit beschäftigt habe.

      Was ist Spiral Dynamics?
      Spiral Dynamics ist ein entwicklungspsychologisches Modell, das von dem amerikanischen Psychologieprofessor Clare W. Graves in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts begründet und von seinen Schülern Don Beck und Christopher Cowan weiterentwickelt wurde. Es beschreibt extrem detailliert die unterschiedlichen Lebenswelten von Menschen – was Menschen wichtig ist, sie antreibt, auf welcher Basis sie ihre Entscheidungen treffen. In der Soziologie sagt man „Milieus“ dazu. Ein großer Vorteil des Systems ist seine leichte Verstehbarkeit. Ich konzentriere mich hier auf die Darstellung wesentlicher Inhalte – am Ende des Textes gibt es Leseempfehlungen für Details.

      Das postmoderne Milieu
      Im Jahr 2012 befand ich mich tief im postmodernen Milieu. Am wichtigsten war es für mich damals, etwas „Sinnvolles“ in meinem Leben zu tun. Etwas zum Nutzen von Menschen oder der Natur. Bereits während meiner letzten Jahre als Angestellte in einem großen Wirtschaftsunternehmen fand ich es schwierig, all meine Energie darauf zu verwenden, die Rolle auszufüllen, die man von mir als Führungskraft erwartete – meine Abteilungsziele zu erfüllen, dabei nie Schwäche zu zeigen. Moralische Überlegungen kamen zwar immer wieder vor, weil ich viel selbst entscheiden konnte, aber im Grunde ging es natürlich um die Erreichung monetärer Größen. Mein Berufsleben war von Fassaden geprägt, die mich umgaben; irgendwann mochte ich nicht mehr mitspielen.

      Menschen mit einem postmodernen Werteschwerpunkt sind meist davon angetrieben, sich für soziale oder ökologische Belange einzusetzen, sie brennen für eine Verbesserung unserer Lebensbedingungen. So arbeiten sie oft in der Non-Profit-Welt, als Sozialarbeiter:innen, im Umweltschutz, der Bildung, als Coaches oder Therapeut:innen. Die Bewegungen Fridays for Future und die Letzte Generation gehören hier genauso hin wie die Partei Die Grünen. Für manche Menschen scheint es meiner Wahrnehmung nach schwer vorstellbar, sich derart mit Zielen zu identifizieren, und ja, so manche Aktionen sind übertrieben, keine Frage. Dem Agieren liegt aber echtes Interesse zu Grunde. Und wir haben diesem Milieu viel zu verdanken: Es erinnert uns an den Wert der Natur, die uns umgibt, an unser Menschsein in allen Facetten, Themen wie Gleichberechtigung und Minderheitenschutz, Schutz von Armen und Kranken und vieles mehr.

      Postmoderne Menschen sind häufig herzlich, warm, offen und sehr beziehungsorientiert. Neue Formen der Kooperation und Entscheidungsfindung werden ausprobiert, großes Interesse gilt auch der Erforschung der eigenen Persönlichkeit sowie neuen Formen des Zusammenlebens. In Deutschland leben ca. 20 bis 25 % der Bevölkerung in diesem Milieu.

      Das moderne Milieu
      Unsere westliche Welt ist stark vom modernen Milieu geprägt. Es ist die Lebenswelt der Rationalität, der Naturwissenschaften, der Wirtschaft und des Erfolgs. Einige Jahre habe ich auch in dieser Welt verbracht, und ich denke gerne daran zurück. Ich fand es spannend und herausfordernd auszutesten, zu wieviel Leistung und damit verbundenem Erfolg ich fähig war. Die Professionalität, Innovationskraft und Effizienz mancher Wirtschaftsunternehmen sind für mich nach wie vor total beeindruckend – sie entwickeln die Produkte und Dienstleistungen, die wir am Weltmarkt verkaufen können, und stellen die Arbeitsplätze zur Verfügung, die wir benötigen, um unser Leben zu finanzieren.

      Modern geprägte Menschen identifizieren sich darüber, Leistung zu erbringen, Erfolg zu haben und diesen zu zeigen, z. B. durch das Tragen der aktuellen Mode oder das Fahren eines teuren Autos. Sie sind ständig bemüht, bessere Lösungen zu finden, sich fachlich weiterzuentwickeln, arbeiten viel und gern. Das Wort „Karriere“ gehört in dieses Milieu. Arbeitgeber profitieren von der Ziel- und Lösungsorientierung, dem großen Wissen und dem Einsatz ihrer Mitarbeiter:innen in dieser Lebenswelt. Gleichzeitig lauert in diesem Milieu die Gefahr des Burn-outs, wenn das Streben nach Anerkennung nicht begrenzt wird. Auch soziale und ökologische Aspekte haben keine große Relevanz. Circa 40 % der deutschen Bevölkerung gehören dieser Lebenswelt an.

      Das traditionelle Milieu
      Mit dem traditionellen Milieu verbindet mich persönlich eher weniger, da ich recht unkonventionell aufgewachsen bin. Manchmal treffe ich Menschen aus dieser Lebenswelt und fühle mich sehr zu ihnen hingezogen. Traditionelle Menschen orientieren sich stark an der Region, in der sie leben, an deren Regeln und Bräuchen, eventuell auch an der dort gelebten Religion. Sie sind oft familienorientiert und engagieren sich in ortsansässigen Vereinen. „Bodenständig“ ist ein Wort, das ich sehr treffend finde. Innerhalb ihrer Region oder Gruppe (Verein, Familie, Arbeitgeber) sind diese Menschen sehr hilfsbereit und warmherzig, und da Strukturen und Regeln sehr wichtig für sie sind, ist ihr Verhalten konsistent und zuverlässig. Menschen in dieser Lebenswelt sind gute Buchhalter:innen, Steuerberater:innen, Beamte usw., sie sind loyal, pflichtbewusst und ehrlich – wichtige Voraussetzungen für diese Berufe.

      Die Kehrseite der Orientierung am eigenen Umfeld ist oft eine schwächer ausgeprägte Offenheit für fremde Lebensweisen, andere Religionen oder insgesamt Veränderungen. Mehr als 30 % der Bevölkerung in Deutschland haben diesen Werteschwerpunkt.

      Die gesunde Spirale
      Sowohl für Individuen als auch für Kollektive wie ganze Länder oder Organisationen ist es günstig, Facetten aller drei beschriebenen Milieus zu leben. Und das tun viele Menschen auch, ohne sich dessen bewusst zu sein: Eine gute Kombination für unternehmerisches oder auch persönliches Handeln ist zum Beispiel etwas Struktur und Stabilität aus dem Traditionellen, Unternehmergeist und Risikofreude aus der Moderne und der Sinn für Mensch und Natur aus der Postmoderne. Auch jetzt in der Weihnachtszeit profitieren wir von allen Milieus: Traditionsbewusste Menschen schmücken ihre Häuser schön, Wirtschaftsunternehmen haben tolle Spielzeuge für die Kinder in unserem Umfeld hergestellt, und an Weihnachten oder Silvester kommen wir mit unseren Freunden zusammen, die für viele von uns Wahlfamilie sind. Und so weiter und so fort; die Liste der Beispiele ist lang.

      Im Alltag sehen wir oft die negativen Facetten von Lebensweisen, die uns nicht so nah sind. Und davon gibt es natürlich auch reichlich, wenn wir an die Klimaproblematik denken, an Umweltverschmutzung oder Rassismus. Doch der Schatten kommt immer auch mit dem Licht, wie ich manchmal im Coaching sage: Alle Lebenswelten haben ihre Vorzüge und ihre Schatten. Wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir klug agieren und möglichst viele positive Seiten in unser Leben integrieren. Und diese auch in anderen Menschen sehen.

      Mir persönlich ist es ein großes Anliegen, dass sich Menschen wertschätzend begegnen – wir alle möchten gerne liebevoll behandelt werden, oder? Dann sollten wir es auch selbst sein. Ein Modell wie Spiral Dynamics kann aus meiner Sicht dabei helfen.

      Leseempfehlungen:

      Rainer Krumm:
      9 Levels of Value Systems – Ein Entwicklungsmodell für die Persönlichkeitsentfaltung und die Evolution von Organisationen und Kulturen (werdewelt Verlags- und Medienhaus)

      Don Edward Beck, Christopher C. Cowan:
      Spiral Dynamics – Leadership, Werte und Wandel (Verlag Kamphausen)

      Frederic Laloux:
      Reinventing Organizations – Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit (Verlag Vahlen)

            Gut gemeint ist nicht gut gemacht
            Warum linke Politik und linker Journalismus ihre Ziele verfehlen

            Diane Hedderich, 12.12.2023

            Als Mensch mit etwas Bildung im sozialen Bereich schlage ich seit geraumer Zeit die Hände über dem Kopf zusammen: Wieso werden die von vielen Menschen mit Sorge betrachteten hohen Umfragewerte der AfD und die extrem schlechten Umfragewerte von SPD und Grünen nicht sozialwissenschaftlich analysiert und Gegenmaßnahmen ergriffen? Wo sind die Soziologen, Psychologinnen und Politologen, die doch sehen müssten, was passiert? Zeit für (m)eine Analyse

            Ich bin davon überzeugt, dass die Politik, die wir allgemein als „links“ bezeichnen, gute Ziele verfolgt: Ihr Herz schlägt für soziale und ökologische Themen – von Klimaschutz über Artenvielfalt bis hin zu Einsatz für die kleinste Gruppe der Schwachen und Diskriminierten. Alles gute, richtige, wichtige Anliegen. Wer würde dem widersprechen? Ich denke, die wenigsten Menschen. Hier liegt also nicht das Problem der großen Ablehnung, die diese Politik seit Monaten erfährt.

            Ich glaube, wie ich es im Sommer einem ehemaligen Kollegen gegenüber formuliert habe: Sie wollen das Richtige, sie wollen nur „zu viel“. Große Teile der Bevölkerung, deren dringlichste Probleme nicht o. g. Themen sind, sondern vielleicht finanzielle Sorgen, Stress im Alltag, Krankheit oder was auch immer ein menschliches Leben ausmachen kann, fühlen sich bedrängt und überrannt von so manchen Ideen und Maßnahmen. Ganz besonders in Zeiten wie diesen – nach der Corona-Pandemie, bei hoher Inflation und Sorgen an allen Ecken. Das führt zu Ablehnung und Trotz – und im schlimmsten Fall zu Protesthandlungen, die viele von uns besorgt beobachten. Dieser Mechanismus ist bestens beschrieben mit der sogenannten Reaktanztheorie.

            Die Reaktanztheorie
            Reaktanz ist ein Reaktionsmuster, das durch eine gefühlte Einschränkung der persönlichen Freiheit ausgelöst wird, so z. B. durch Verbote, Druck oder emotionale Argumentation. Na, klingelt es da schon etwas? Fühlen sich Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt, formt sich ein innerlicher Widerstand, mit dem Ziel, den erlebten Freiheitsverlust wiederherzustellen. Das kann so weit gehen, dass Menschen gerade das tun, was verboten oder unerwünscht ist. Spannend, was? Reaktanz liegt also dem „Reiz des Verbotenen“ zu Grunde. Es gibt, wie man leicht erkennen kann, Ähnlichkeiten zum Trotz, der jedoch auch aus anderen Gründen entstehen kann. In meinem Psychologie-Studium kam diese Theorie vor, und ich fand sie schon immer faszinierend und sehr zutreffend. Gibt es keine politischen Berater:innen, die Psychologie studiert haben?

            Moralischer Narzissmus
            Einen weiteren schönen Begriff zur Erläuterung der aktuellen, weltweiten Abwehr- und Protestbewegungen hat der österreichische Psychiater Raphael Bonelli geprägt: moralischer Narzissmus. Bonelli meint damit, dass zunehmend Menschen von ihnen favorisierte Werte und Meinungen als die einzig richtigen definieren und über alles andere stellen. Allen, die diesen Werten und Meinungen nicht zustimmen, fühlen sie sich überlegen. Sie werten sie ab, bis hin zur sozialen Vernichtung und Zensur. Kommt das jemandem bekannt vor? Leicht erkennt man hier das Potenzial für Reaktanz.

            Mich erinnert die Definition auch an das entwicklungspsychologische Modell Spiral Dynamics. So schreiben Beck und Cowan in ihrem Buch: „Im Extrem ist der unversöhnliche Liberalismus der „politischen Korrektheit“ auf der Linken genauso streng, verurteilend und selbstgerecht wie rigide „Diskriminierung“ auf der Rechten. In engem Grün (Bezeichnung für das politisch linke Spektrum im Modell) schließen Menschen diejenigen aus, die nicht der Gemeinschaft beitreten wollen, egal was das vereinende Prinzip sein mag.“

            Das wäre nun schon das 3. theoretische Modell, das meines Erachtens erklärt, was politisch in Deutschland, aber auch weltweit passiert: Mit wachsendem Einfluss „links“, sowohl politisch als auch journalistisch, gibt es eine Protestbewegung „rechts“.

            Ein unvermeidbarer Zustand?
            Wie ich das Modell Spiral Dynamics verstehe, das ich wirklich jedem und jeder ans Herz legen möchte, ist diese Entwicklung unvermeidbar. Neulich sagte eine junge, wache Klientin zu mir: „Frau Hedderich, ich kann mir nicht vorstellen, dass der Regierung nicht bewusst ist, was sie tut. Sie hat doch so viele Berater.“

            Natürlich habe ich keine Gewissheit, doch ich sagte zu meiner Klientin, was ich auch hier schreibe: „Ich glaube, sie sehen es nicht.“ Das glaube ich tatsächlich, so unglaubwürdig das für manche klingen mag. Denn ich erinnere mich, dass ich selbst einmal in einer Lebensphase war, in der ich mich in meiner Radikalität und Intoleranz nicht reflektieren konnte. Und das, obwohl ich Spiral Dynamics damals schon kannte. Steckt man eben in einer bestimmten Entwicklungsstufe, kann man sich dabei nicht beobachten – man ist zu stark mit ihr identifiziert. Evolutionär passt das auch ins Bild: Viele Menschen, besonders Intellektuelle, die häufig in Politik und Medien vertreten sind, befinden sich genau an dem Punkt, an dem progressive soziale und ökologische Themen die wichtigsten Themen überhaupt sind. Das macht sie für anderes blind.

            Und der Ausweg?
            Wie kommen wir nun raus aus dieser Bewegung mit Gegenbewegung? Theoretisch ist das nicht allzu schwer. Zunächst wäre es wichtig, dass die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen politisch wie medial Berücksichtigung finden: Warum wählen die Menschen AfD? Warum lehnen manche Menschen Maßnahmen zum Klimaschutz oder die Partei Die Grünen gar komplett ab? Was sind die Sorgen und Ängste der Menschen? Das alles muss wertschätzend und eben nicht abwertend-narzisstisch behandelt werden. Emotionale Appelle sind mit großer Vorsicht zu genießen, zielführender sind Informationen und eine Motivation, sich freiwillig Dingen anzuschließen.

            Praktisch scheint mir das Thema deutlich schwieriger umsetzbar zu sein. Nicht, weil das oben Beschriebene nicht ginge. Sondern weil es bei den relevanten Personen unter Umständen an Offenheit mangelt. Ich merke das manchmal in meinem Privatleben, wenn ich mit total links stehenden Menschen spreche – es ist schwierig. Wie Bonelli sagt: Es wird gefühlsmäßig argumentiert, nicht logisch. Trotzdem schreibe ich auf, was ich dazu denke, und hoffe, die oder der eine findet daran etwas Interessantes. Rückmeldungen gerne an meine E-Mail-Adresse mail(at)dianehedderich(punkt)de. Danke!